Reisebericht Vietnam • Der Kulturschock kam. Nur nicht da, wo erwartet…
Die Räder des Flugzeugs berühren vietnamesischen Boden.
Gelandet. In Ho-Chi-Minh-Stadt.
Dann geht das Rascheln los: Die Leute holen ihre Handy raus, kramen ihre Sachen zusammen und die ganz Ungeduldigen stehen bereits im Gang – egal wo auf der Welt, das ist wohl eines der Dinge, die überall gleich sind.
Und wir schauen aus dem Fenster. Die ersten vietnamesischen Buchstaben. Die andere Seite der Kugel. Es hat keine 12 Stunden gedauert und dir ist klar, dass du alles Gewohnte am Flughafen in Düsseldorf gelassen hast, weil du es hier nicht gebrauchen wirst. Um Neues aufzusaugen. Wir schauen uns an und denken wohl gleichzeitig an das, was wir vorher gelesen hatten:
- „Man braucht Zeit, um sich an die andere Welt zu gewöhnen.“
- „Der Kulturschock sitzt erst einmal ein bis zwei Tage.“
- „Es ist anders, Asien ist anders, man muss offen sein für diese Welt.“
Meine Güte, man tut ja so, als würde man in einer anderen Galaxie landen. Aber gut. Kommen ja nicht von irgendwo, diese Beschreibungen. Mit den Vorwarnungen im Kopf geht’s also raus aus dem Flieger.
„Thanks for flying with us!“ – Jop, danke dass wir’s lebend geschafft haben, das Essen war sogar auch gut und danke, dass ihr uns zu unserem Abenteuer geflogen habt! Ist nämlich das erste Mal Asien für uns…
Wir schnappen unsere Rucksäcke vom Band, finden den Ausgang und obwohl es nur ein normaler Schritt nach draußen ist, fühlt es sich eher an wie…
…eine ordentliche Arschbombe ins Andere und Neue!
Die Türen öffnen sich und sofort riechst du frische Gewürze von den Street Food-Ständen, die dich überall umgeben, spürst süßlich riechenden Wind und die Hitze, die dich empfängt. Lautes vietnamesisches Gerede, von dem du nichts verstehst, vietnamesische Buchstaben, die du nicht lesen kannst, Schilder, die du nicht verstehst und im Grunde alles, das verspricht, dass ein riesen Abenteuer vor dir liegt!
Und wir grinsen.
Weil es ist, wie es sein sollte!
Anders. Weit weg von allem was Du kennst.
Weil du nur so die Möglichkeit hast, komplett Neues kennenzulernen.
Was in Deutschland als „normal“ gilt, kennt man hier nicht
Was zu Hause selbstverständlich ist, ist hier unbekannt und alles um dich rum sagt nur: „Neu hier? Ja cool! Dann wirst du wohl eine Menge lernen! Zum Beispiel mit den Taxifahrern Vietnams klarzukommen!“
Denn während die Pauschalurlauber mit Schildchen empfangen und in ihre Bullis geführt werden, stehen wir da und sehen schon den ersten Vietnamesen auf uns zulaufen. „Taxi? Taxi?“. Das Wort, das wohl jeder auf der Welt kennt. Zumindest ist das nichts Neues.
Wir antworten mit einem professionellen „No, thanks“. Schließlich müssen wir jetzt erst mal den Zettel suchen, auf dem die Adresse unserer Unterkunft (zur Liste unserer Unterkünfte in Vietnam) steht. Und… wie viel war noch mal ein 1€ hier?! Und wie teuer hatten wir gelesen war so eine Taxifahrt noch mal?
Wir kramen und finden den Zettel mit der Adresse. Der „Taxi? Taxi?“-Mann steht immer noch neben uns. Und wartet. Er kennt das Spiel wohl schon. Na gut. Wir zeigen ihm die Adresse.
„How much?“.
„eeeh… ti-handed-tausänt“
Was übersetzt so was wie „viel-zu-viel“ heißt, nämlich 300.000 Dong (11 €).
Ja cool, direkt nach 3 Minuten die erste Verhandlung! Unseren Gegenpreis akzeptiert er unserer Meinung nach viel zu schnell, fackelt nicht lang und ist schon unterwegs zu seinem Taxi. Er packt unsere Rucksäcke in den Kofferraum und die deutsche Vorsicht ist direkt präsent, die dir sagt: „Nimm den Rucksack mit! Nicht in den Kofferraum!“. Mit einem Auge auf den Taschen, setzen wir uns und werden von einem weiteren Mann begrüßt: dem Fahrer. Und der „Taxi-Taxi“-Mann kommt von der Seite, streckt seine Hand durch das offene Fenster, fordert wohl Vorkasse. Meine Güte, geht das hier fix.
Ein kurzer Blick auf’s Armaturenbrett zeigt den Namen der Firma, das Foto des Fahrers und eine Nummer des Fahrers. Das waren die seriösen Taxiunternehmen, hatten wir gelesen. Wir zahlen das erste und letzte Mal im Voraus, zeigen dem Fahrer noch mal die Adresse und die Räder kommen ins Rollen. Nachdem wir uns gefragt haben, ob die Rucksäcke wohl noch im Kofferraum sind und ob wir immer noch viel zu viel gezahlt haben, blicken wir aus dem Fenster. Wir sind also da!
Mopeds.
Einfach nur Mopeds. Überall. Mit allem drauf. Hühnerställe, Essen, Müllsäcke, Paletten von Eiern, Möbel, Kühlschränke, Pakete oder halt eine ganze Familie. Oder alles gleichzeitig. An der Ampel hält eine Familie neben uns. Hinten die Frau, davor der Mann und dazwischen zwei Kinder. Alle mit Mundschutz wegen der Abgase. Man sieht an den Augen, dass das Kind lächelte, die Mutter winkt uns zu, der Taxifahrer lacht und sagt etwas auf Vietnamesisch zu uns. Was auch immer. Aber es klingt nett und wir müssen mitlachen.
Ein Street Food-Stand nach dem anderen
Die Kochdämpfe steigen in die Luft, die Vietnamesen sitzen auf kleinen Plastikstühlen, essen mit Stäbchen und das kann man sehen, weil die Stühle und Tische draußen stehen. Auf dem Bürgersteig. Fast die gesamten Straßen entlang.
Was du schnell feststellst:
Das Leben pulsiert draußen. Nicht hinter verschlossenen Türen.
Nicht an jeder 4. Ecke ein McDonalds.
Sondern Garküchen.
Keine verschlossenen Autos.
Sondern Menschen auf den Mopeds, deren Gesichter du siehst.
Gehupe überall, das aber nur aussagt: „Achtung, ich komm jetzt von links/von rechts/von der Seite/fahre um’s Eck, also aufpassen!“.
Denn in Vietnam gibt’s halt kaum Verkehrsregeln. Man überholt wo Platz ist, man fährt, wo Platz ist, aber irgendwie läuft’s. Und das Hupen hilft eben auf sich aufmerksam zu machen. In Deutschland heißt es so viel wie: „MEIN GOTT, DIR SOLLTE MAN DEN FÜHRERSCHEIN WEGNEHMEN, DU VOLLHONK!“.
Das Hupen klingt dort eh anders.
Eher so ein „Miiiep miiiiiiiep“ und woanders ist es das tiefe, aggressive „MÖÖP MÖÖÖÖP“. Dass allein so ein Ton eine ganz andere Grundstimmung hervorrufen kann.
Es macht alles… einen freundlicheren Eindruck. Einen herzlichen, geselligen, offenen. Wohligen.
Der Taxifahrer hält an.
Fünf Minuten später werden wir zu unserem Zimmer geführt mit den Worten „Ihr habt uns geschrieben, dass ihr das erste Mal in Vietnam seid? Wir haben euch unser schönstes Zimmer gegeben! Es ist das einzige mit einem Balkon!“, sagt er stolz und rennt zum Fenster, um die Gardinen zu öffnen. Und der Vietnamese sollte Recht behalten: Ein besseres Zimmer konnten wir uns für den Einstieg nicht vorstellen! Wir haben eigentlich ein Mini-Zimmer erwartet und mit viel Glück vielleicht auch ein Fenster irgendwo. Und auf einmal kriegen wir das:
Er sagt noch, wann es Frühstück gibt, legt den Schlüssel auf die Kommode und verabschiedet sich mit den Worten: „I hop, you feel confottable“ – „We already do!“, und das war ehrlich gemeint. In touristischen Gegenden, sprechen übrigens viele Vietnamesen Englisch. Falls du dich das fragst.
Die Tür fällt ins Schloss und wir sprinten den Meter zum Balkon. Der süßliche Gewürz-Geruch kommt wieder in die Nase, die Mopeds sind laut, das Gehupe immer noch da und die Menschen essen draußen ihr Abendessen auf den Plastikmöbeln. Und die Aussicht auf Ho-Chi-Minh-Stadt ist grandios. Hohe Gebäude, modern, beleuchtet. Und man merkt schnell:
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So haben wir unsere Weltreise geplant und so kannst du auch deine Weltreise planen:
📋 Zeitplan
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🏛️ Arbeitsamt
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Ein Land mit Gegensätzen.
Denn die hohen Gebäude mit teuren Hotels mittendrin umgeben nur die kleinen vielen Gassen und Straßen, in denen das Herz der Stadt wirklich schlägt. Und die wollen wir sehen. Genau die. Also sind wir mal in einen Bus gestiegen und sind dort raus, wo es aussah, dass hier keine Hotels sind. Keine Touri-Buden. Keine Souvenir-Läden.
Wir stehen da und erinnern uns an den Begriff Kulturschock.
Hm. Nee. Irgendwie nicht. Vielleicht ist es einfach der Begriff, der uns nicht in den Kram passt. Schockstarre…unter Schock stehen… geschockt sein… alles so negativ. Kulturschock.
Es ist eher wie… eine kalte Kulturdusche.
Es prasselt auf dich ein, lässt dich ordentlich wach werden… es wäscht Gewohntes und Gelerntes ab, und wenn du die Augen aufmachst, fühlst du dich frischer, aufmerksamer, wacher. Aufnahmefähiger. Und offener… mit dem Gedanken: „Alles klar. Auf geht’s. Vietnam, bring uns bei, was wir nicht kennen und was für dich Alltag ist!“
Ran an die Stäbchen, statt Besteck.
Ab auf die viel zu kleinen Plastikstühle, statt Restaurant-Lederstühle.
Frisches von der Straßenküche statt der Hot Dog von IKEA.
Mit Händen und Füßen nach der nächsten Haltestelle fragen, nicht mit deinem Handy.
Verkehrsregeln vergessen, mit Intuition durch den Moped-Schwarm gehen.
Taxis mit Bedacht heranrufen, nicht das nächste anrufen und herbestellen.
Sprechen lernen, mit so einfachen Wörtern wie „Danke“ oder „Wo ist…“.
Durch Regenwälder laufen, nicht durch Einkaufsstraßen. Beim Bezahlen die Scheine mit beiden Händen übergeben, nicht mit einer. Begeistert sein von der Natur Vietnams und nicht eingeschüchtert von der Geschichte.
…Wochen später dann wieder in Düsseldorf landen.
Ampeln, Rechts vor Links, Euros, Autos, verschlossene Restaurants, stumme Passanten. Vergleichsweise leere Straßen.
Und da kommt er dann.
Der Kulturschock.
Nur nicht da, wo wir ihn erwartet hatten.
Spannender Bericht. Manchmal kann es seltsamer sein, wieder nach Hause zu kommen und diesen riesigen Kontrast zu sehen, als in einem fremden Land aufzuschlagen… Deutschland ist vergleichsweise leer und still. Glaubt man gar nicht, ist aber so. Vor allem, wenn man zurück aus Asien kommt. Die Ruhe hier erschlägt einen geradezu…
Liebe Grüße
Kasia
Es war echt ein Erlebnis… dieser Moment, als wir in das Vertraute kamen und gemerkt haben, dass es sich nicht ganz so vertraut anfühlte, weil das Leben fehlte. So abgefahren.. .
Wow.. Ich stolpere über euren Blogg, bin gerade in Vietnam total berührt von den szenen, den Geschichten, den kleinen Details welche ich nicht so schön in Worte fassen kann wie ihr und kann gar nicht sagen warum ich mich so fühle! Vielleicht weil genau der letzte Satz so passend scheint… Seid gegrüsst aus Vietnam, wir gehen jeden Tag schritt für schritt ein Stück weiter
Oooh wie schön! Vielen, vielen lieben Dank für diesen schönen Kommentar! Ganz liebe Grüße nach Vietnam und es ist gerade so besonders einen Kommentar auf den Beitrag zu erhalten, der unser erster richtiger Bericht war und der uns so viel bedeutet…
Hey ihr beiden! Wie lange seid ihr in Vietnam gewesen? Habt ihr ein Visum beantragt oder die 15 Tage genutzt? Weil mir kommen 15 Tage etwas kurz vor 🙁
Lieben Gruß, Regina
Hi Regina,
wir waren um die 3 Wochen in Vietnam und hätten ohne weiteres noch ein paar dranhängen können! 🙂 Allerdings waren wir nicht während unseren derzeitigen Weltreise dort sondern vor ca. 3 Jahren. Da gab es das Visa für 15 Tage noch nicht und wir haben uns im Vorfeld in Deutschland ein 30 Tage Visum besorgt.
Liebe Grüße aus Peru
Daniel